Mittwoch, 27. Juli 2016

Kapitel 18 – Wiedersehen mit meinem Sohn und seiner Familie

Dann war der große Tag gekommen. Um 4 Uhr morgens gings mit dem Taxi los Richtung Airport, Koffer wurde samt Rennbahn und Puppen planmäßig eingecheckt. Alles bestens bis es zum Umsteigen ging: eine kleine Propellermaschine, die nach Hamburg propellern sollte. Ich hielt die Luft an. Als hätte ich es nicht geahnt, dies hier war ein Flug, der noch frei war, weil ihn kein anderer wollte. Mit Mühe stieg ich die Hühnerleiter hoch um mir nun circa eine Stunde lang den Höllenlärm der Propeller anzuhören.  Dass ich mit dem ersten gebuchten Flug und diesem eigentlich überhaupt nichts eingespart, sondern draufgezahlt und dafür noch unbequeme Flugbedingungen hatte, war bei meiner Ankunft allerdings vergessen. Mein Sohn war mit seiner ganzen Familie zum Airport gekommen. Ich war gleich in die beiden Kleinen verliebt. Die dreijährige Tochter meines Sohnes hatte es mir allerdings besonders angetan: ein bildhübsches Mädchen, das mich schüchtern mit ihren großen braunen Augen beobachtete. Ihre wuschelige schwarze Haarpracht umrahmte ihr süßes Gesicht. Sie war einfach nur zum Knuddeln, aber das würde sie auf keinen Fall schon zulassen. Für sie war die Oma aus Irland eine Fremde. Ich hoffte, dass sich das in dieser einen Woche ändern würde. Das Baby war selbstverständlich auch entzückend und es ließ sich von mir auf den Arm nehmen. Über meine Geschenke an alle herrschte große Freude und wir hatten einen schönen Tag. 




Ich genoss die Zeit mit meinem Sohn, seiner Lebensgefährtin und den Kindern, doch Deutschland im Sommer bekam mir noch nie sehr gut. Ich spürte wieder einmal die Pollenallergie und meine Kurzatmigkeit. Großartig spazieren gehen konnte ich nicht. Dazu kamen die Wespen, die in diesem Jahr in Deutschland die reinste Plage waren und meine Panik vor den Viechern, bewog mich dazu, die meiste Zeit im Haus zu bleiben. Mein Sohn hatte nicht sehr viel Verständnis dafür und war etwas enttäuscht darüber, dass ich nicht mit der Familie mitging.
Einen Tag gönnte ich mir mit meiner alten Freundin Biggi. Mit Franzbrötchen und Mettbroten überraschte ich sie und wir machten uns einen schönen Nachmittag. Ich führte ihr meinen Kuba-Film vor und danach gingen wir in unserem Lieblingsrestaurant griechisch essen. Allerdings erlebte ich eine Überraschung nach meiner Rückkehr. Die Lebensgefährtin meines Sohnes war mit der Kleinen zu einer Freundin gefahren und kam über Nacht nicht nach Hause. Mein Sohn wollte mir lange Zeit weismachen, dass sie bald kommen würde, doch als ich sehr besorgt wurde, weil es sehr spät war, rückte er mit der Sprache heraus, dass es wohl zwischen den beiden gekracht hatte. Ich war sehr verärgert. Nicht nur weil mein Sohn mich belogen hatte, sondern auch weil die beiden sich nicht einmal für die eine Woche, in der ich dort war, zusammenreißen konnten. Es wurde mir auch bald klar, dass mein Sohnemann, der zwar nun recht erwachsen und vernünftig war, noch einige Altlasten an Jugendsünden mit sich herumschleppte. So musste Mutter mal wieder eingreifen und kurzerhand bei meinem früheren Haus-und Hofanwalt einen Termin für ihn vereinbaren, damit Schadensbegrenzung betrieben werden konnte. Denn bis jetzt hatte mein Sohn in der Hinsicht so ziemlich den Kopf in den Sand gesteckt und sich nicht um anwaltliche Hilfe bemüht. Ansonsten blieb uns nicht viel Zeit zwischen uns. Der einzige Abend, den wir wirklich mal zu einem Zweiergespräch nutzen konnten, endete in Tränen meinerseits. Wir waren uns so sehr fremd geworden. Einzig sein soziales Verhalten, was schon sehr extrem war, das hatte er sich von früher beibehalten. Eifrig sammelte er Kleidung um sie zu den Messehallen zu bringen, wo Tausende von Flüchtlingen untergebracht waren. Durch seine Berichte wurden mir weitere Probleme bewusst, die durch, mit und für die Flüchtlinge entstanden: kaum abgegrenzt lebten Familien Betten an Betten zusammen. Doch für muslimische Frauen war dies eine Katastrophe, denn die durften sich nicht vor fremden Männern entschleiert oder entkleidet zeigen. Es gab dort wohl jede Menge Schlägereien aus solchen oder ähnlichen Gründen und die Sicherheitsleute hatten alle Hände voll zu tun. Wie sehr sich die ganze Situation in Hamburg geändert hatte, konnte man bereits auf den Straßen feststellen. Als mein Sohn mit mir auf dem Weg zum Einkaufen war und kurz mein Manuskript, welches ich natürlich der Kosten wegen, aus Deutschland zum Verlag schicken wollte, zur Post brachte, wartete ich auf der Straße auf ihn. Die Gestalten, die nicht allein, aber in Gruppen herumschlichen, empfand ich schon als beängstigend. Wohlgemerkt, wir waren tagsüber unterwegs, nicht abends. Irgendwie kenne ich das aus Irland nicht. Klar, gibt es hier auch Ecken, die man besser meidet, aber in Hamburg gibt es diese bestimmten Ecken wohl nicht mehr. Hier muss man überall Angst um seine Handtasche haben. Aber diese Probleme sah wohl zu dieser Zeit noch niemand. Es hieß nur überall „die armen Flüchtlinge“, allen voran, mein Sohn. Beim Einkaufen zeigte mein Sohn sich sehr geduldig während ich zwei Stunden lang im deutschen Lebensmittelmarkt Waren zu kaufen, die ich mit nach Irland nehmen würde. Wir kämpften mit Tüten und Taschen, die wir dann mithilfe eines Taxis, zu seiner Wohnung beförderten. 
Zum Geburtstag meines Sohnes durfte seine dreijährige Tochter auch wieder dabei sein, was mich besonders freute. Doch dies war der letzte Tag an dem ich sie sah und überhaupt der letzte Tag. Sie ließ sich an diesem Tag von mir an diesem Tag auch in den Arm nehmen. 


Dass mein Sohn seinen Geburtstag mit seinen Freunden am Abend feiern wollte, konnte ich einerseits verstehen aber ich war auch ein wenig traurig, denn das hätte er auch verschieben können. Ich wäre liebend gern mit ihm irgendwo etwas trinken gegangen. Das behielt ich jedoch für mich. Zu meinem Unmut musste ich ohnehin früh versuchen zu schlafen, denn um 4.00 Uhr morgens musste ich am Flughafen sein. Wie immer vor einem solch frühen Termin konnte ich kaum schlafen, denn meine Angst, den Flug zu verpassen, hinderte mich daran, fest einzuschlafen. Somit war ich schon wieder munter als mein Sohn, recht angeheitert nach Hause kam. Seine Freundin stand auch auf und kochte mir Kaffee, während ich mich reisefertig machte. Mein Sohn hatte darauf bestanden, mich zum Flughafen zu begleiten. Ich zweifelte allerdings daran als seine Freundin mich fragte ob ich den wirklich mitnehmen wollte. „Der sitzt im Schneidersitz auf dem Küchenfußboden und starrt vor sich hin.“ Nein, er wollte mit! Na, ja vielleicht hatte er ja nur kurz meditiert.
Am Flughafen war er plötzlich sehr anhänglich und wollte mich gar nicht gehen lassen. Auch ich wollte nicht gehen und innerlich änderte sich etwas bei mir. Es erwachte in diesem Moment der übermächtige Wunsch in der Nähe meines Sohnes zu sein und meine Enkeltöchter aufwachsen zu sehen, nicht nur ein oder zweimal im Jahr. Klar es ist keine große Entfernung mit dem Flugzeug von Irland nach Deutschland aber für mich ist es jedes Mal ein großer Akt, überhaupt irgendwo hinzufliegen. Erst muss ich Chico in die Hundepension bringen und danach wieder abholen, dann die Reise mit dem Taxi zum Airport. Alles zeit- und kostenintensiv. Es gibt auch einen Bus zum Airport, doch ich muss ja ohnehin mit dem Taxi in die Stadt um zum Busbahnhof zu kommen. Der Bus hält auch nur am Ankunftsterminal, dann muss man mit Koffer und Tasche zum Abflugterminal eiern. Unter diesen Umständen ist man froh, wenn man nicht mehr als ein- oder zweimal im Jahr fliegen muss oder will. Dass ich in diesem Jahr noch einmal nach Deutschland jetten würde, ahnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht…, aber ich war schon bedient, ohne überhaupt wieder im Flieger zu sitzen. Während ich auf meinen Flug wartete, spürte ich den Drang zur Toilette zu müssen. Die war allerdings besetzt also nahm ich die Behindertentoilette. War mir eh lieber da diese am wenigsten frequentiert werden. Ich hasse es, auf fremde Toiletten zu gehen. Hier fand ich jedoch die Vorrichtung nicht um die Spülung zu betätigen. Ich sah dann dieses rote Teil und zog dran. Das hatte zur Folge, dass ohrenbetäubend laut eine Alarmglocke betätigt wurde und durch eine Gegensprechanlage die Stimme eines Mannes ertönte: „Wie kann ich Ihnen helfen? Was fehlt Ihnen? Können Sie sprechen? Bitte antworten Sie!“ Einen Teufel tat ich! Eilig machte ich dass ich da rauskam und unter merkwürdigen Blicken der anderen Reisenden in der Halle, schlich ich wieder an meinen Platz, steckte meine Nase hinter meinen E-Book-Reader, tat so als ginge mich der Lärm nichts an und hoffte, dass der Alarm bald wieder ausging. 


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