Mittwoch, 27. Juli 2016

Kapitel 25 – Der Kreis hat sich geschlossen

Bei Ankunft – wie sollte es anders sein – regnete es wieder einmal und hat sich auch bis jetzt nicht großartig geändert. Der Sommer fällt in Irland mal wieder aus. Wie sagt der Ire so schön: „Man kann froh sein, wenn man alle sieben Jahre einen schönen Sommer hat.“ So lange wollte ich allerdings nicht mehr hierbleiben. Der letzte schöne Sommer war 2013. An meinem ersten Morgen bekam ich beim Blick aus dem Fenster, einen Schrecken: mein Garten hatte sich in einen Dschungel verwandelt, da ich vor Abreise wegen der Nässe nicht mähen konnte. Chicos Hundehütte war kaum mehr zu sehen. Mir blieb nichts anderes übrig als Donal eine Message zu senden um ihn zu bitten, mit seinem Benziner zu mähen. Auf einen elektrischen Schlag hatte ich nicht wirklich Lust. Überhaupt hatte ich hier keine Lust mehr auf Garten. Alle Pflanzen ob innen oder außen gingen mir hier kaputt oder werden von Schnecken oder anderem Ungeziefer gefressen.  Einzig das Unkraut wächst und gedeiht. Es wird hier keine neuen Pflanzen mehr geben, das Geld spar ich mir lieber für Spanien. Allerdings gibt es noch ein großes Problem und da arbeite ich noch an einer Lösung: Chico! Den holte ich wieder ab aus seinem Urlaubsdomizil. Was soll aus ihm werden? Abgeben kommt für mich nicht in Frage aber wenn ich mir so die Immobilienangebote ansah, gibt es zwar jede Menge schöner und auch schön möblierter Apartments aber nichts mit Garten. Und einen großen Hund mitbringen? Da winkt doch jeder Hausbesitzer gleich ab. Auf den sauberen spanischen Straßen kann ich mir auch nicht wirklich einen Spaziergang mit Chico vorstellen, denn dort wird drauf geachtet, dass Hunde nicht auf die Bürgersteige kacken. Aber bei Chicos Bomben würde ich wahrscheinlich in Ohnmacht fallen, wenn ich die mithilfe von Plastiksäcken einsammeln müsste. Diese Gedanken und die nächsten Wochen brachten mich wirklich in die Zwickmühle einer Entscheidung, denn es passierte eine ganze Menge, die meine Entscheidung, Irland zu verlassen, noch verstärkten…
Als ich nach meiner Rückkehr mein Handy aktivierte, kamen mir einige böse Nachrichten aufs Display. Mein Sohn war stocksauer darüber, dass ich mich nicht zu den Geburtstagen seiner Töchter gemeldet hatte. Beide Geburtstage liegen nur einige Tage auseinander und fielen nun leider in meinen Urlaub. Excuse me? Er will sein Leben leben, und ich lebe meins. Klar hatte ich an die beiden Mäuse gedacht aber ich glaube nicht, dass es für sie einen Unterschied machte, ob ich anrief oder nicht. Für die Kleine schon gleich gar nicht. Nein, es waren die (vermeintlich) Erwachsenen, die das erwarten. Er sah dann auch recht schnell meine Motive ein und somit fiel der nächste Streit erst einmal aus. Doch bei den nächsten Gesprächen verteufelte er seine Ex, die Mutter seiner älteren Tochter und wiederholte was er schon zuvor angedeutet hatte: dass er den Kontakt zu seiner Tochter abbrechen wollte. Ich bekniete ihn das nicht zu tun, das Mädchen würde ihn doch als Vater brauchen, und außerdem weiß keiner so gut wie ich, wie einem das Herz bricht, ein Kind zu verlieren. Ich konnte ihn nicht überzeugen, er holte sie einfach nicht mehr ab. Wieder einmal war ich tieftraurig, ich hatte die Kleine so liebgewonnen und mich immer über Fotos von diesem bildhübschen Mädchen gefreut oder mit ihr telefoniert. So gern hätte ich sie aufwachsen sehen. Eine Möglichkeit, mit meinem Sohn einmal allein zu sprechen gab es nicht, aber das sah ich als einzigen Weg, ihm klar zu machen, was er da verlor. Das was er nun an Zeit verpasste, würde er nie wieder zurückholen können. Wenn es wirklich nur um Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und seiner Ex ging, warum übernahm seine Lebensgefährtin nicht das Abholen und Wegbringen? Auf diese Frage hatte mein Sohn abgeblockt. Im Nachhinein kam dann sogar heraus, dass mein Sohn seine Tochter nicht einmal zum Geburtstag gesehen hatte. Hauptsache ich sollte anrufen!    
Mittlerweile, so erfuhr ich hatte die Lebensgefährtin meines Sohnes vermittelt und man hatte sich wohl getroffen. Vielleicht gibt es ja doch noch Hoffnung.
Der nächste Schock kam als ich in meinen Briefkasten blickte. Hier erwartete mich ein Brief von einem Inkassoinstitut. Es ging noch immer um die Krankenhausrechnung, dessen Begleichung von angeblich nicht finden konnte. Sofort blieb mir die Luft weg als ich diesen Brief las und ich musste zu meinem Spray greifen. Statt sich mit mir auseinanderzusetzen bzw. den von meiner Versicherung überwiesenen Betrag zu suchen, hatte man den Fall ganz simpel an das Inkassounternehmen weitergereicht. Sofort rief ich dort an und ließ mich mit dem bearbeitenden Mann verbinden. Ich erklärte ihm die Situation und schickte ihm den Zahlungsnachweis per E-Mail. Wundersamer Weise wurde nach Eingreifen des Inkasso Institutes die Zahlung ganz schnell gefunden. Die Buchhaltung des Krankenhauses kontaktierte mich und machte den Vorschlag, den gesamten Betrag wieder an die Versicherung zurück zu überweisen, diese sollte dann den Betrag an mich überweisen, damit ich die Rechnung selbst noch einmal beglich und die Überzahlung behielt. Ich antwortete nur einmal auf diese E-Mail und fragte ob die bekloppt seien. Warum buchten die nicht einfach den Betrag zur fehlenden Rechnung und überwiesen den überzahlten Betrag zurück an die Versicherung oder an mich oder wie auch immer? Scheinbar waren die lernfähig, denn tatsächlich erhielt ich wenige Tage später einen Brief von meiner Versicherung, mit der Bitte, meine Bankverbindung anzugeben damit man mir den zu viel gezahlten Betrag zurück überweisen konnte. Der Brief ging am nächsten Tag mit meiner Bankverbindung in die Post. Umso mehr verwunderte mich, dass ich kurze Zeit später einen Brief mit einem Scheck in meinem Briefkasten fand. Warum wollten die nun meine Bankverbindung? Ja, die sind alle etwas bekloppt, die Iren!
Es ist wirklich an der Zeit, wieder mein eigenes Leben zu leben und alles andere distanzierter anzugehen, am besten alles hinter mir lassen.
Zu Beginn der neuen Woche hatte mich der Alltag und der ganz normale Wahnsinn wieder zurück. Wieder einmal hatte sich der Mist, den andere verbockt hatten, angehäuft, damit ich alles korrigierte. Dies erlebte ich ja nun jedes Jahr, doch in diesem Jahr war es extrem. Es war nicht so, dass dies Anfängerfehler waren. Nein, die neuen Kollegen waren teilweise wirklich strohdumm, dabei noch aggressiv, oder stinkend faul. Die Anforderungen wurden nebenbei immer höher, uns wurde immer mehr Arbeit aufs Auge gedrückt. Dann erfuhr ich von einer ehemaligen Kollegin, dass die Firma mittlerweile alle ehemaligen deutschen Mitarbeiter anschrieb, um ihnen wieder eine Arbeitsstelle anzubieten. Bei mir schrillten sämtliche Alarmglocken. Das bedeutete, man fand niemand mehr, der sich auf die ausgeschriebenen Stellen bewarb. Warum auch? Das was vielleicht seit vielen Jahren funktionierte, das konnte unter den jetzigen Bedingungen nicht mehr gut gehen. Die Firma bietet ein vergleichsweise mieses Gehalt an. Keine Krankenversicherung und auch sonst keine Leistungen, die konkurrenzfähig ist, und den Kampf um Arbeitskräfte aus Deutschland zu gewinnen. Irland bietet dazu recht wenig Attraktivität an, um Deutsche zu locken. Die Arbeitslosenzahl ist sehr niedrig, also warum sollte jemand nach Irland kommen, wenn er gut mit Hartz IV leben konnte oder Arbeit in Deutschland findet? Für mich bedeutet dies im Moment eine nervliche Überbelastung, weil die Anrufe mit Reklamationen, Bestellungen etc., gnadenlos auf eine kleine Gruppe einprasseln werden, die sonst von ca. 15 Leuten oder mehr angenommen und bearbeitet werden so gut es geht, doch das artet meist schon in Chaos aus in der busy Season. Da wir angehalten sind, bis August unseren Jahresurlaub zu nehmen, nahm ich mir frei und ging zum vereinbarten Termin bei einer Psychotherapeutin. Bei einem Gespräch, indem ich ganz offen über meine Gefühle sprach sowie über die Hölle die ich vor einigen Jahren durchlebte, brach nicht nur ich in Tränen aus, sondern die Therapeutin war auch ganz nah am Wasser gebaut. Sie war ratlos, wie sie mir helfen konnte. Ich sagte es ihr: ich benötigte ein Attest, was aussagte, dass ich schwer depressiv war. Sie sah ein, dass weitere Gespräche mir nicht helfen würden.  Stattdessen hilft mir nur so schnell wie irgend möglich aus Irland und aus dieser Isolation wegzukommen. Sofort war sie bereit, mir dieses Attest anzufertigen. Innerhalb weniger Tage bekam ich dies auch per Post zugestellt. Nun fehlt mir noch eins von meinem praktischen Arzt und dann werde ich den Kampf mit der irischen Sozialbehörde aufnehmen. Nachdem die deutsche Rentenversicherung mich scheinbar um meine eingezahlten Beträge bescheissen will, so wie man mir bereits schriftlich bestätigte, muss ich mich nun in Irland um Rente bemühen, mit dem Vorteil, dass es hier mehr gibt als in Deutschland und dass man bereits nach 5 Jahren Vollzeitbeschäftigung Anspruch auf Rente hat. Meine deutschen Rentenversicherungsbeiträge – alles umsonst – was ich jahrelang erwirtschaftet und an diesen deutschen Staat abführen musste, behält nun der Staat ein. Und wofür? Damit er andere in die Altersarmut schickt! Das allein ist schon Grund genug für mich zu sagen: „Good Bye Deutschland – für immer!“ Aber es gibt noch unzählige andere Gründe. Spanien war immer mehr Heimat für mich als Deutschland. Selbst zu Brasilien habe ich ein innigeres Verhältnis als zu Deutschland. Fazit: Deutschland, nie wieder! Aber Irland auch nicht länger!
Meine Entscheidung, den Job zu kündigen, manifestierte sich, nachdem ich nach meinem langen Wochenende wieder zur Arbeit zurückkehrte. Wieder einmal gab es Neuigkeiten, aber keine guten. Unsere Abteilungschefin hatte in einem Meeting bekannt gemacht, dass unser Kundenservice ab sofort jede Bestellung, die aufgenommen wurde, mitzuschneiden wäre. Das allein war nicht das Problem aber die Mitschnitte sollten auf einem umständlichen Weg in diesem selbst zusammengebastelten Softwareprogramm der Firma, von uns in einer Datei gespeichert werden. Bei dem immens hohen Aufkommen von Anrufen, und es handelt sich ja hier um Reklamationen, die angenommen und angelegt werden müssen, was zeitaufwendig genug ist, sollten nun auch noch jeweils 3 Minuten für das Speichern der Aufnahmen draufgehen. Niemand hier war glücklich über diese Entscheidung, aber keine wagte es wirklich, den Mund aufzumachen. Ich sprach mit den Kollegen, erfuhr erst hier, dass es kein Meeting war sondern eigentlich nur eine Bekanntgabe, und somit eigentlich bereits beschlossene Sache, über die Köpfe hinweg, derer, die es ausbaden sollten. Unsere Abteilungsleiterin hielt es nicht für nötig jeden Tag bei uns anwesend zu sein. Sie bevorzugt das andere Gebäude, da sich dort die Kantine befindet, na ja, und ihre Freundinnen. Als sie jedoch donnerstags erschien, bat ich sie um ein Meeting am folgenden Tag. Fast wütend, bereits ahnend worauf dies hinauslief, wollte sie von mir wissen, warum. Ich erklärte, dass den Mitarbeitern des Kundenservice doch die Möglichkeit gegeben werden musste, hierzu Stellung zu beziehen. Die Nachfolgerin unseres fähigen und kompetenten Abteilungsleiters, der von heute auf morgen entlassen wurde, und sie nun völlig überfordert die Stelle antreten musste, da eine externe Dame, die Position wegen zu geringer Bezahlung abgelehnt hatte, reagierte sauer und hilflos, stürmte sogleich nach draußen, um erst einmal eine Zigarette zu rauchen. Ich wusste, dass ich bei sämtlichen höheren Angestellten hier sehr unbeliebt war, schlicht und ergreifend, weil ich diesen irischen Idioten überlegen war. Der einzige Grund, warum man mich noch nicht gefeuert hatte, war: sie wussten, dass ich die Firma auf eine Abfindung verklagen würde. Außerdem war ich für den Kundenservicebereich im deutschen Markt, die einzige Leistungsträgerin. Aus diesem Grund, so hatte man es mir aus einer sicheren Quelle zugesteckt, bekam ich die Stelle als Teamleiterin der Nachtschicht auch nicht. Man wollte mich im Kundenservice nicht verlieren.
An diesem Freitag fand um 15.00 Uhr das Meeting statt. Hut ab! Sie hatte sich gut vorbereitet, jegliche Einwände im Keim zu ersticken. Doch sie war nicht vorbereitet mit meiner Hochrechnung, wieviel Zeit wir an einem Tag mit der Speicherung verlieren, somit Anrufe verpassen und dem gesamten Service schadeten. Trotzig und wütend, griff sie mich nun mit einer hysterisch laut werdenden Stimme an, behauptete, dass das Speichern nur eine Minute dauern würde, und wenn ich drei Minuten brauchte, dann würde ich wohl etwas falsch machen. Ich sah in die Runde, doch keiner machte den Mund auf. Als dann auch noch unsere zweite Supervisorin ins gleiche Horn blies, war das der Punkt für mich, einen Schlussstrich zu ziehen. Ich musste schwer an mich halten, um beiden nicht entgegenzuhalten, dass diese Taktik lediglich dazu benutzt würde, den Leistungsbonus prozentual herunter zu drücken. Wieder Geld, was die Firma einstreichen wollte, anstatt die Mitarbeiter am Erfolg teilhaben zu lassen.
Als sollte es so sein, stand nach Feierabend eine ehemalige Kollegin vor der Tür und wartete auf jemanden. Ich sprach sie an, ob sie etwas für mich tun könnte in der Firma, in der sie arbeitete, und so ziemlich die einzige Alternative in diesem Nest war. Somit geht nun alles seinen Gang. Das erste telefonische Interview habe ich bereits hinter mir und wenn alles klappt, werde ich zumindest für den Rest meiner Zeit in Irland einen anderen Job mit mehr Gehalt bekleiden. Das gibt mir noch ein bisschen mehr Zeit um darüber nachzudenken, was mit Chico passieren soll. Falls es nicht klappt, werde ich mein Ziel mit der Frührente weiterverfolgen und auf den Erfolg des Buches hoffen. Und dann
GOOD BYE IRLAND

GOOD BYE DEUTSCHLAND

Kapitel 24 – Urlaub in Torremolinos / Málaga

Bewusst hatte ich diesmal ein Hotel der gleichen Kette wie in Kuba gewählt, jedoch mit Spa und allem PiPaPo. Ich freute mich nun auf 10 Tage relaxen, mit Massage, Whirl-Pool, den neuesten Klatsch und Tratsch den deutschen Zeitschriften zu entnehmen, und vor allem die Kreuzworträtsel, die ich liebe zu lösen, aber leider in Irland nicht bekomme. Die englischen Zeitschriften einschließlich der Rätsel kann mal alle in der Pfeife rauchen, die meisten beziehen sich mit ihren Fragen auf diese blöden Seifenopern. Allgemeinwissen ist hier nicht angesagt. Ich wollte meinen Urlaub auf der Sonnenterasse und am Strand verbringen, ohne irgendwelche Ausflüge. So schön und unvergessen Kuba war, so anstrengend war es auch, jeden Tag unterwegs zu sein. Diesmal wollte ich nur die Seele baumeln lassen, das brauchte ich momentan am Nötigsten.
Im Unterschied zu den meisten meiner Flüge, begann ich diesmal ganz entspannt und nicht um 4.00 Uhr morgens am Flughafen. Abgeholt wurde ich von meinem Haus- und Hoftaxifahrer gegen 13.00 Uhr. Ich glaubte noch viel Zeit zu haben, das jedoch schien ein Wunschdenken zu sein, als mir klar wurde, dass ich am falschen Terminal ausgestiegen war. Nirgendwo war ein Informationsschalter zu entdecken, um zu erfahren, wie ich nun auf die Schnelle ins Terminal 2 kommen würde. Ich spürte wie sich eine Panik- und somit Asthmaattacke auf den Weg machte als ich einen Verkaufsschalter fand. Hier gab man mir die freundliche Auskunft, dass ich durch dieses Terminal links herum in das Terminal 2 gelangen würde, ohne außen herum gehen zu müssen. Ich versuchte meine Atmung in den Griff zu bekommen, was nicht gerade leicht war, da ich nun ca. 1 Kilometer mit Rollkoffer und Reisetasche unterwegs war. Zum Glück war ich wie immer überpünktlich gewesen und hatte tatsächlich noch Zeit genug als ich endlich in der Schlange vor dem Schalter stand. Das Einchecken war dann auch ziemlich relaxed ohne Hetze, ich konnte im zollfreien Shop noch mein Lieblingsparfum erstehen und wir hoben ab, ohne Verspätung. Es hätte alles wunderbar ruhig und sein können, war es aber nicht denn mein Rücken machte mir an diesem Tag große Probleme. Ich konnte kaum sitzen, so große Schmerzen hatte ich. „Toller Urlaubsbeginn!“, dachte ich grimmig.
Nach der Landung und dem Auschecken überkam mich sogleich das Gefühl, nach Hause zu kommen. Zielstrebig verließ ich den Airport Richtung Taxistand und vereinbarte einen recht annehmbaren Fahrpreis. Innerhalb einer Viertelstunde erreichten wir Torremolinos. Da ich noch Zigaretten kaufen musste, hielt der Taxifahrer geduldig an so ziemlich jedem Kiosk. Hier jedoch schien sich in den letzten Jahren etwas geändert zu haben. Es gab keine mehr an den Kiosken. Nur noch aus den Automaten der Bars. Aber immerhin, 4 Euro 50 pro Schachtel und nicht 10 Euro wie in Irland! Am Hotel angekommen setzte der Taxifahrer mich in Erstaunen als er das Trinkgeld, welches ich ihm geben wollte, ablehnte und mir abgezähltes Wechselgeld zurückgab. In Hinsicht auf die Wirtschaftskrise in Spanien, hatte ich das nun nicht erwartet. Aber vielleicht hatte ich nur einen extrem stolzen Spanier erwischt. In meinem Hotelzimmer angekommen, war alles so, wie ich es online beschrieben war. Mein erster Weg führte mich in die Badewanne. Hierauf hatte ich mich schon Wochen vorher gefreut. Eine Dusche war nun mal nicht dasselbe. Ich brauchte ab und an ein Vollbad und dies würde ich nun auch jeden Tag ausnutzen. Ohnehin war ich überzeugt, dass es keinen Unterschied machte ob man duschte oder badete, was die Quantität des Wassers anging, so lange man nicht stundenlang in der Wanne saß und immer wieder Wasser nachlaufen ließ. Aus der Minibar nahm ich anschließend ein Bier und genoss den Blick vom Balkon auf die Sonnenterrasse und das Meer, soweit ich es im Dunkeln noch sehen konnte. Das war jedoch keine so gute Idee, denn es stellten sich prompt Kopfschmerzen ein. Trotzdem sank ich müde und zufrieden in das gemütliche, riesengroße Bett, stellte den Fernseher ein, bei dem ich feststellte, dass es internationale, einschließlich deutsche, Sender anbot. Also es fehlte wirklich an nichts.

Der Blick nach dem Aufwachen vom Balkon aus, war atemberaubend! Wie hatte ich es vermisst – das Meer, die Sonne, den Strand und vieles mehr… Zum ersten Mal seit einem Jahr fror ich nicht. Wer davon nicht betroffen ist, weiß nicht wie furchtbar man darunter leidet, wenn man jeden einzelnen Tag friert. Das letzte Mal dass ich nicht fror, war in Kuba gewesen. Nun fühlte ich mich auch wieder angenehm von der Sonne erwärmt. Die Air-Condition würde in meinem Zimmer arbeitslos bleiben. Nachts ließ ich die Balkontür geöffnet und konnte so wunderbar schlafen. 



Das Frühstücksbüfett war erstklassig, es ließ keinen Wunsch offen. Einzig der Orangensaft schmeckte mir dort nicht. Scheinbar wurden hier gespritzte Orangen benutzt. Da zog ich die frisch gepressten Säfte in den Bars vor. Außerdem gab es unweit des Hotels einen Stand der Orangensaft verkaufte. Dieser war sehr gut und ich wurde schnell Stammkundin. Die Verkäuferin war auch sehr freundlich und wir kamen schnell ins Gespräch, speziell als Musik von David Bisbal aus ihrem Radio ertönte. Ich erfuhr von ihr, dass er noch immer auf der Erfolgswelle schwamm und erst kürzlich wieder eine Auszeichnung im Bereich Latinomusik erhalten hatte.
Nach der Massage im Spa ging es meinem Rücken wesentlich besser, jedoch riet mir die Masseurin, ich sollte nicht lange im Sand herumlaufen, da ich scheinbar eine Entzündung irgendwo an der Wirbelsäule hatte, und dies dadurch noch verschlimmert werden könnte. Auf jeden Fall sollte ich bald einen Orthopäden aufsuchen, denn sie konnte mir zwar durch Massagen Erleichterung verschaffen, aber heilen würde sie mich nicht können.
Für die Dauer meines Aufenthaltes buchte ich dann gleich noch die Benutzung des Talahasso-Spa, welches neben dem Pool mit Meerwasser, der so groß ist, dass man wirklich darin schwimmen kann und gleichzeitig jederzeit durch Knopfdruck an den Enden die Whirl-Pools aktivieren. Und das ganze bei erfreulichen 36 Grad Wassertemperatur. Dies nutzte ich jeden Tag für 2 Stunden aus und zog meine Runden in dem Becken, ließ mich vom Whirl-Pool täglich durchschütteln. Da mein Urlaub praktisch noch in der Vorsaison lag, hatte ich das Glück, den Pool meistens für mich allein zu haben. Die anwesenden Hotelgäste legten auch scheinbar nicht so viel Wert darauf, das Spa zu benutzen. War ja auch nicht ganz billig, aber ich gönnte es mir, da mir das Meer und der Außen-Pool noch viel zu kalt waren. Auf das dazugehörige Türkische Bad und die Sauna verzichtete ich, das hat mir noch nie viel gebracht. Dafür entwickelte sich mit jedem Tag, den ich im Spa verbrachte, eine liebe Freundschaft mit der Rezeptionistin. Lola und ich entdeckten viele Gemeinsamkeiten, wir hatten immer was zu quatschen und zum Ende tauschten wir E-Mail-Adressen und Telefonnummern aus. Ich hatte ihr gestanden wie schlimm es um mich stand, in Irland leben zu müssen und nun, wo ich wieder hier war, mein größter Herzenswunsch war, hierher zurückzukehren. Auch von meinem Buch erzählte ich ihr und wie sehr ich darauf hoffte, dass es mir zumindest so viel einbringen würde, dass ich bescheiden davon in Torremolinos leben konnte. Ich erfuhr von ihr, dass es sehr viele günstige Apartments zur Miete gab, ab 300 Euro. Auch sie zahlte nicht mehr für ihr Apartment. Wir waren uns einig, dass durch die Krise vieles in diesem Land wieder billiger geworden war und man mit wenig Geld auskommen konnte. Sie arbeitet während der Wintermonate nicht und lebt mit ihrem Mann von dem Geld welches sie während der Saison zurücklegen kann. Ihre Sorge gilt ihrem Mann, einem Nigerianer, der einfach keine Arbeit findet und er sich deshalb nur als halber Mensch fühlt. Lola ist jedoch eine so positive Person, die einfach nur glücklich ist, dass sie nach der Arbeit nach Hause zurückkehrt und keine Hausarbeit mehr machen muss, da diese von ihrem Mann erledigt wurde. Ich war überzeugt, dass sie mit ihrer positiven Art ihren Mann jeden Tag aufs Neue aufbaut. Sie zeigte mir Fotos von ihrem Mann, ihrer Familie und den Reisen, die sie mit ihrem Mann unternommen hatte und ich zeigte ihr meine Fotos, die ich auf meinem Handy gespeichert hatte.


So wurden aus 2 meistens 3 Stunden oder mehr, die ich täglich dort mit Schwimmen verbrachte, zwei Stunden strammes Schwimmen und eine oder mehr mit Lola. Dabei lernte ich auch eine Menge netter Urlaubsgäste kennen, die hereinschneiten und nach Preisen und Massagen fragten. Es war ein schönes Gefühl, wieder eine Freundin zu haben, mit der man quatschen konnte. Doch danach zog ich mich meistens rasch um und ging dann zum Strand. Entweder hatte ich mein Handy dabei – allerdings nur um Musik zu hören (es war während der gesamten Tage auf Flugmodus da ich anschließend durch Roaming-Gebühren keine böse Überraschung erleben wollte und auch keine Lust auf Facebook, E-Mails oder Anrufe hatte), und mein E-Books-Reader, oder Zeitschriften, mit denen ich mich massenweise eingedeckt hatte. Für 5 Euro bekommt man eine Liege und einen Sonnenschirm und kann es sich am Strand bequem machen. Ich wählte einen Abschnitt mit Service. Getränke sowie auch Essen werden mitsamt Tisch an die Liege gebracht. Aber nicht nur das war appetitlich: seit Ewigkeiten – genauer gesagt, seit Brasilien – sah ich mal wieder lecker Männer. Ausgerechnet der Strandliegenvermieter hatte es mir besonders angetan. Aber meine Schwärmerei behielt ich diskret für mich. In Hinblick auf mein Alter und die Tatsache, dass ich schlicht und einfach aus der Flirt Übung gekommen war, machte mich schüchtern und zurückhaltend. Nicht einmal Lola erfuhr von dem Objekt meiner heimlichen Begierde. Es tat jedoch gut, nicht nur von einem Mann wieder einmal „Guapa“ genannt zu werden. Irgendwie schien ich ja doch hier noch einen gewissen Marktwert zu haben. Und dass ich auch meinem Schwarm irgendwie aufgefallen war, war offensichtlich da er mir an der Bar mit seinen wunderschönen braunen Augen tief und lange in meine sah, was mir eine ziemliche Gänsehaut verursachte. 






Nach dem Strand, nahm ich mein tägliches Bad, zog mich um und suchte dann ein Restaurant. Ich hatte absichtlich nur Übernachtung und Frühstück gewählt, da es ja hier so viel Auswahl gab, gut und günstig zu essen, falls ich das nicht schon am Strand hatte. Allerdings war das erste Restaurant, welches ich ansteuerte – Casa Antonio – weder gut noch günstig. Ich hatte ein Schnitzel bestellt. Aber was da kam, waren zwei Schuhsohlen, mit Pommes und Salat drum herum. Das erste sogenannte Schnitzel ließ sich weder schneiden und schon gleich gar nicht essen. Ich reklamierte dies beim Kellner, der mir sogleich den kompletten Teller entreißen wollte. Den hielt ich jedoch fest und schlug vor, er solle nur diese Schuhsohle mitnehmen und mir ein Schnitzel bringen. Das zweite Teil ging ja einigermaßen. Außerdem hatte ich tierischen Hunger. Da war mir auch egal, dass die Pommes nicht gesalzen und der Salat weder Öl noch Essig gesehen hatte. Der Kellner klatschte dann auch das eine Teil auf einen Teller und nahm es mit. Nach einiger Zeit kam er dann mit zwei neuen Schnitzeln wieder. Ich fragte ihn was ich denn nun mit zwei weiteren Schnitzeln sollte, ich wollte ja nur eins. Er meinte, ich solle essen was ich schaffe und den Rest würde er dann entsorgen. Na ja, aus 1 mach 3. Ich schaffte dann aber auch nur das neu gebrachte. Für diesen Spaß zahlte ich 13,50 Euro und nur das! Kein Trinkgeld und auch kein Wiedersehen. 




Nach dem Essen (ich esse in der Regel nur zweimal am Tag), machte ich meine Spaziergänge am Paseo. Damals, als wir hier lebten, war ich mit unserem Hund jeden Abend hier lang spaziert. Noch immer konnte ich die wunderschönen Blumen und Pflanzen bewundern, die die Barbesitzer rund um ihre Strandbars gepflanzt haben. Hier konnte es einem nie langweilig werden. Es gab immer genug zu sehen und man kam immer mit irgendwelchen Leuten ins Gespräch. Einzig meine Kurzatmigkeit machte mir sehr zu schaffen. Wahrscheinlich war die Zeit einfach zu kurz damit sich meine Lunge wirklich erholen konnte.








Für mein Asthma hatte Lola auch die rettende Lösung: sie schrieb mir den Namen eines Asthmasprays auf, welches ihr Mann auch benutzte. Ich konnte dies rezeptfrei in der Apotheke erhalten und es war nicht einmal teuer. Ich kaufte es und als ich es probierte, wirkte es super. Ich konnte danach wahrhaftig viel besser Luft bekommen und meine Spaziergänge wurden viel leichter. Prompt kehrte ich in die Apotheke zurück und kaufte vier weitere Sprays, denn in Irland bekomme ich so etwas nicht. Daneben kaufte ich noch Salben und Medikamente für meine Hautausschläge, die ich mittlerweile überall am Körper habe, seit ich in Irland lebe.






Ich genoss diese Zeit und mein Entschluss stand fest: ich würde hierher zurückkehren – diesmal für immer! Nur mit einem Unterschied, ich wollte nicht mehr um Arbeitsplätze kämpfen, denn die gibt es hier nicht. Vielleicht im Sommer aber dann wahrscheinlich auch nur für jüngere Leute als ich. In einer Bar wollte ich auch nicht unbedingt mehr arbeiten. Nein, es musste einfach klappen mit dem Buch. Der Plan B war die Frührente. Mit meinen Depressionen und dem Asthma konnte ich hier vielleicht mein Ziel erreichen. Fest steht, dass ich in Irland mehr Geld zu erwarten hätte als in Deutschland und dass ich mit ca. 900 Euro zwar bescheiden aber doch in Spanien leben konnte. Ein Auto würde ich nicht mehr kaufen. Es gibt hier Busse und Taxen, wozu also ein Auto? 








Meine Spaziergänge waren am Paseo Maritimo waren voll von bittersüßer Erinnerungen. Nicht nur mit unserem Hund, sondern mit meinem damaligen argentinischen Freund Luciano, mit dem ich glückliche Zeiten erlebt hatte, war ich so oft händchenhaltend hier entlang geschlendert. Er hatte mich auf unseren Spaziergängen immer zum Lachen gebracht, mir Rosen von den Rosenverkäufern, gekauft und geschenkt und wir hatten manch romantische Momente am Strand verbracht. Ich konnte beobachten, wie glücklich mein Sohn hier war, der damals fließend spanisch sprach, viele Freunde hatte und wir uns wirklich sehr nahe waren. Alles plötzlich vorbei, weil ich diesen verdammten Flug nach Brasilien buchte…, aber das ist Vergangenheit. Nun gilt es nach vorn zu schauen und den Moment zu genießen.

Ich hatte sogar bei einem meiner Spaziergänge den Lift entdeckt, der vom Strand zur Stadt führte. Früher hatte ich den immer gesucht und nie gefunden. Jedoch nahm ich ein Taxi welches mich in die Stadt brachte. Hier fühlte ich mich allerdings etwas verloren. Es hatte sich hier sehr viel verändert. Der Taxifahrer hatte mich irgendwo in der Nähe der Calle San Miguel abgesetzt. Es dauerte eine Weile bis ich mich wieder zurechtfand. Vieles von früher fand ich einfach nicht mehr wieder, wie zum Beispiel das Haus, wo Lucianos Vater gewohnt hatte oder das China-Restaurant, in welchem ich früher oft gegessen hatte. Allerdings fand ich die erste Disco wieder, in die ich in Torremolinos einkehrt war und auch die Disco wo ich einmal gejobbt hatte. Beschwingt und mit einem leichten Sommerkleid schlenderte ich durch die Straßen. Wann sonst konnte ich schon ein Sommerkleid tragen? In einem Geschäft kaufte ich kleine Geschenke für die Betreiberin der Hundepension (das hatte sich so eingebürgert, dass ich ihr immer etwas mitbrachte) und auch für meine Vermieterin, die mir auch aus dem Urlaub immer etwas mitbrachte. Dann ließ ich mich in einer Eisdiele nieder, jedoch war es nicht die von früher, aber das Eis schmeckte trotzdem. Das digitale Thermometer gegenüber zeigte 30 Grad. Es hatte sich für mich nichts geändert: das war die Temperatur, bei der ich mich wohl fühlte. Das war die Wärme, die ich so nötig brauchte. 







Selbst eine kubanische Bar, mit kubanischen Leuten, Drinks und Musik fand ich in der Stadt



Es war ein sehr schöner Tag, den ich in der Stadt verbrachte, den ich ganz nebenbei auch zur Außenansicht einiger freien Immobilien nutzte. Das Angebot war wirklich nicht schlecht. Ich konnte es mir auch durchaus vorstellen, ein Apartment im Zentrum zu bewohnen. Im Winter ist es hier auf jeden Fall geschützter als unten direkt am Strand. Andererseits sind die Winter ja hier nicht so bitterkalt und lang wie in Deutschland oder Irland. Auf jeden Fall sollte es zentral sein und nicht so abgelegen wie ich jetzt wohne. Den Tag beendete ich mit meinem Lieblingsessen: Pez de Espada und ein Mineralwasser mit Zitrone. Ich lebte in diesen paar Tagen wesentlich gesünder als das ganze übrige Jahr und war viel mehr in Bewegung. Nachdem ich wieder Kopfschmerzen nach dem zweiten Versuch mit Alkohol, in Form von Tinto Verano, bekommen hatte, verzichtete ich nun ganz drauf.
Die Zeit verging wie im Fluge und ich war todunglücklich, wenn ich an die Rückkehr nach Irland dachte. 


                                               Ein letzter Blick vom Balkon am Abend vor der Abreise


                                        Super Zimmer, super Service, alles 100% sauber! Hotel Melia Costa del Sol



Diese Bild habe ich hier mit hineinkopiert um zu zeigen was ich auch so sehr vermisse: und zwar Hygiene nach dem Toilettengang. Fast in jeder Wohnung oder Haus in Spanien haben die Badezimmer ein Bidet. Es ist ein angenehmes Gefühl, sich nach dem Toilettengang zu reinigen und nicht einfach nur Toilettenpapier zu benutzen. Was sind die Nordeuropäer, die so etwas nicht einmal kennen doch eigentlich für Schmutzfinken? Leider zähle ich gezwungenermaßen auch dazu da ich in Irland nun mal kein Bidet habe. Aber das ist ein Grund mehr für mich, nach Spanien zurückzukehren. 


Kapitel 23 – Riesenkrach und Sendepause zwischen meinem Sohn und mir

Eigentlich hatte ich bereits meine Krankenhausaufenthalte vergessen. Vom Krankenhaus in Dublin hatte ich eine Rechnung erhalten. Nach Anraten des Bezirksvertreters meiner Versicherung hatte ich ein Rückerstattungsformular ausgefüllt, und zwar mit den Daten des Krankenhauses in Dublin. Zuvor hatte ich in einem anderen Formular angegeben, dass ich ja auch noch in einem Krankenhaus in Nordirland war. Der Rechnungsbetrag belief sich auf 225 Euro. Da meine Versicherung pro Tag 75 Euro zahlte, überwiesen sie nun fälschlicherweise 300 Euro an das Krankenhaus in Dublin. Dies jedoch wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Statt einer Rechnung vom nordirischen Krankenhaus erhielt ich permanent E-Mails von einem mir unbekannten Absender, mit dem Hinweis, doch den Anhang zu öffnen. Das jedoch tat ich nicht. Ich wollte mir doch keinen Virus auf meinen neuen Laptop holen. Dann bekam ich ständig Anrufe, die ich durch meine Arbeit verpasste. Rief ich zurück, konnte ich nicht verstehen was, man dort von mir wollte. Ich wurde stinksauer und schrieb auf die E-Mails, dass man aufhören sollte, mich zuzuspammen. Langsam begriff ich, dass die Anrufe etwas mit den E-Mails zu tun hatten. Somit beschimpfte ich entsprechend die Damen, die mich mit ihrem nordirischen Akzent völlig verwirrten.  Bis bei mir der Groschen fiel, dauerte es schon eine Weile. Dann kapierte ich endlich, dass eine Agentur die Buchhaltung für das Krankenhaus bearbeitete und mir die Rechnung im Anhang der Mails zugesandt hatte. 90 Euro für die ambulante Behandlung. Ich erklärte letztendlich der Dame am Telefon, dass ich es nicht gut fand, dass man mir die Rechnung nicht per Post schickte, wie jede andere normale Institution auch. Diese versprach mir, dies nachzuholen. Allerdings kam nichts, und somit öffnete ich den Anhang und zahlte die Rechnung.
Zwischenzeitlich erinnerte sich mein Sohn nun doch wieder an mich. Allerdings nur, weil er glaubte, dass ich einen Goldesel zuhause zu stehen hatte. Ursprünglich war ja abgemacht gewesen, dass die kleine Familie mich im Mai besuchen wollte. Richtig daran geglaubt hatte ich eigentlich nie, da er gar nicht das Geld dafür hatte und sie gerade ihren Führerschein machte, was ja auch kostenintensiv war. Nun kam er mit einer ganz anderen Urlaubsplanung und war zusammen mit seiner Lebensgefährtin sogar bereits in einem Reisebüro. Erstaunlicherweise war er auf die gleiche Idee gekommen wie ich und wollte mal wieder in die alte Heimat, Torremolinos. Da aber Hotels für eine Familie zu teuer sind, hatte er sich auf eine Ferienwohnung festgelegt. Nun bat er mich, ihm stolze 1600 Euro für seinen Urlaub zu leihen. Ich fiel fast vom Sofa und wusste nicht was ich sagen sollte. Ich war gerade aus dem ganzen finanziellen Fiasko wieder herausgekommen und konnte froh sein, mir meinen eigenen Urlaub zu leisten ohne meine letzten Reserven anzugreifen, denn die würde ich noch benötigen. Und mit der versprochenen Rückzahlung, das war ohnehin eine vage Versprechung. Ich verstand ihn ja, dass er mit seiner Familie auch mal raus aus den eigenen vier Wänden musste, aber dafür mein letztes Geld zu opfern? Um etwas Zeit zu schinden erbat ich mir Bedenkzeit. Verdammt noch mal, warum schaffte mein Sohn es immer wieder, mir ein schlechtes Gewissen zu geben? Jedoch zwang ich mich, die Wahrheit zu sehen, denn diese ist, dass ich mir selbst helfen muss, in der Not wäre finanziell niemand für mich da. Mein Sohn, der permanent klamm ist, schon gleich gar nicht. Mittlerweile war es für mich ohnehin soweit, dass ich Abstriche machen musste. Viel angespart hatte ich nicht. Zugegeben, ich hatte recht großzügig gelebt und mir auch meine Urlaube recht kostenintensiv gestaltet (wenn ich so an Kuba dachte). Somit war nie viel übriggeblieben. Doch all das weil ich einfach die Einstellung hatte, dass ich hier nicht sehr alt werden wollte, würde, wie auch immer. Im ersten Jahr in Irland hatte ich viel Geld für Klamotten ausgegeben, weil ich noch viel auf Partys gegangen war und im sozialen Leben mit meinen ehemaligen Kollegen eingebunden war. Dies sparte ich mir mittlerweile ein, denn ich ging ja gar nicht mehr aus. Doch nun fehlte mir einfach das Geld, welches man mir sang- und klanglos mit dem Upsale genommen hatte. Immerhin 400 Euro pro Monat. So sehr wie ich an meinem Auto hing, es war einfach zu teuer im Unterhalt. Mein kleiner Renner hatte nun mal einen 2.2 l Motor und somit schlug der steuerlich sowie versicherungstechnisch stark zu Buche. Natürlich würde es nicht leicht werden, ihn zu verkaufen denn wenn sich Iren schon einen schnellen Wagen kauften, dann sollte es schon ein BMW oder Golf sein und nicht unbedingt ein Vauxhall (Opel) Astra. Noch schob ich diese Entscheidung vor mir her, schaute zwar ab und an mal auf dem Gebrauchtwagenmarkt nach, was sich so bot, aber so wirklich konnte ich mich noch nicht entscheiden.
Drei Tage nach dem Gespräch mit meinem Sohn nahm ich meinen Mut zusammen, um ihm meine finanzielle Hilfe abzusagen. Das jedoch hätte ich mir besser erspart… Er war nicht zuhause aber mit seiner älteren Tochter bei Freunden, wo er auch übernachten wollte. Das kam mir schon etwas merkwürdig vor. So schrieb ich seine Lebensgefährtin an, die mir antwortete, dass sie momentan nicht in der Lage war, zu sprechen, wollte mich jedoch am nächsten Tag anrufen. Mir schwante Böses hier. Am folgenden Tag erfuhr ich dann, dass man sich getrennt hatte, weil einfach nichts mehr ging. Mein Sohn hatte mal wieder völlig egoistisch gehandelt und statt sich an das Haushaltbudget zu halten, sich vom letzten Geld eine neue Jeans gekauft. Dies war wohl nicht zum ersten Mal passiert und sicherlich dramatisch, wenn man ohnehin nicht viel Geld hat und hiermit ein kleines Kind versorgen muss. Na ja, die Urlaubsplanung war wohl damit erst einmal erledigt. Ich versuchte sie zu beruhigen und zeigte offen mein volles Verständnis. Eine Urlaubsalternative, die ich mir eigentlich für meinen Sohn mit seiner Familie für das Folgejahr überlegt hatte, bot ich nun voreilig ihr an. Und zwar dass ich eine Ferienwohnung mieten würde für uns – unabhängig davon ob mein Sohn dabei war oder nicht, und sie nur die Flüge bezahlen müsste. Mein Gedanke galt in diesem Moment mehr, Zeit mit meiner Enkeltochter im Sommer zu verbringen.  Der Schuss jedoch ging ganz böse nach hinten los: es dauerte natürlich nicht lange bis man sich wieder versöhnte. Als ich wieder anrief war ich dann plötzlich die Boese. Mein Sohn machte mir große Vorwürfe, wie ich seiner Lebensgefährtin dieses Angebot machen konnte (statt ihm!), ich würde sie doch kaum kennen. Dass meine Enkeltochter mehr im Focus stand, ließ er nicht gelten. Überhaupt ließ er keinen Kommentar gelten und beschimpfte mich. Ich brach das Telefonat ab, mir wurde es zu blöd.
Eine Woche lang ließ ich es so stehen, fühlte mich jedoch beschissen, rauchte wieder mehr als mir guttat und sank wieder in meine Depressionen. Mein Sohn und meine Enkeltöchter waren doch der Sinn meines Lebens, was gab es denn sonst für mich. Alles kotzte mich an. Lustlos verrichtete ich meinen verhassten Job, fuhr abends nach Hause, sah fern, und ging früh zu Bett. Mein armer Chico, der ohnehin viel zu kurz kam, da ich kaum noch die Kraft hatte, mit ihm rauszugehen, tat es mir gleich und schlief die meiste Zeit. Er ist so ein treues Tier. Ich bemerkte nur am Rande, dass er im wahrsten Sinne des Wortes die Ohren hängen ließ. Mein armer Hund litt unter Ohrenschmerzen. Mit Baby-Feuchttüchern untersuchte ich die Ohren. Es kam ziemlich viel Eiter und sogar Blut aus beiden Ohren. Sofort vereinbarte ich einen Termin bei der Tierärztin und bat um einen spontanen Urlaubstag. Der Termin entwickelte sich allerdings zum Fiasko und Chico hatte sich bei der netten Tierärztin wohl unbeliebt gemacht. Zunächst wurde Gewicht und Herz untersucht was Chico noch alles ganz lieb über sich ergehen ließ. Auch in die Ohren ließ er sich schauen. Die Tierärztin bestätigte eine doppelseitige Entzündung und zeigte mir wie ich das Ohrengel in seine Ohren befördern sollte, am besten zu zweit, damit einer den Hund hält und der zweite das Gel hineindrückt. Vorher sollten die Ohren mit Feuchttuechern gereinigt werden. Und das jeden Tag. Na, da käme ja was auf mich zu! In Hinsicht auf meinen Urlaub ließ ich Chico dann auch gleich impfen, fällig waren seine Impfungen ohnehin und in der Hundepension wurde darauf geachtet, dass die Hunde geimpft waren. Chico empfand aber die Prozedur nun als zu viel und begann zickig zu werden, aber er wurde nie wirklich böse. Flink setzte die Tierärztin die Impfungen an und bemerkte, dass Chico doch ein sehr lieber Hund wäre. Andere hätten nun längst versucht, zu beißen. Mit diesem Kommentar ließ sie ihn los. Ich schaffte es nicht mal dies zu bestätigen, wie lieb Chico ist, als er sein Bein hob und an die Wand pinkelte. Entsetzt schimpfte die Tierärztin Chico aus und rief die Sprechstundenhilfe um den kleinen „Unfall“ zu reinigen. Mein Kommentar „Das hat er ja noch nie gemacht!“, erinnerte mich selbst ganz stark an Martin Ruetter. Aber das war noch lange nicht alles. Am Tresen versuchte ich mit meiner Kreditkarte zu zahlen als die Tür zum Röntgenraum, in dem sich drei Katzen befanden, sich öffnete. Sofort riss Chico sich los und rannte genau dort hinein. Alles setzte sich in Bewegung um ihn wieder einzufangen. Ich blieb am Tresen stehen, drei Personen sollten ja wohl dafür reichen. Das nächste was ich sah, waren zwei Katzen, die nacheinander über den Tresen geflogen kamen. Die eine flüchtete auf einen Gummibaum und die andere nahm gleich den Ausgang, da sich just in dem Moment die Tür öffnete. Mittlerweile hatte die Tierärztin Chico sozusagen am Kragen gepackt und zog ihn Richtung Ausgang mit der Bemerkung: „Ich bring ihn jetzt zum Auto“. Oh shit, das war wohl ein klarer Rausschmiss. Ich dackelte hinterher, öffnete den Kofferraum, Hund rein, Klappe zu und dackelte wieder in die Praxis, denn noch immer war ja meine Rechnung nicht bezahlt. Dies konnte ich nun tun aber nur unter lautem Krach denn Chico hatte meine Alarmanlage aktiviert. Etwas säuerlich bemerkte die Tierärztin mit unbewegter Miene, dass das wohl Chico ist, sie das aber nicht stören würde. „Wir sind ja jetzt auch weg“, war das einzige was mir darauf einfiel. Zurück im Auto konnte ich nicht wirklich böse sein mit Chico. Im Gegenteil, als ich diese Szenen noch einmal Revue passieren ließ, kam mir das eher vor wie eine Comedy und ich brach in schallendes Gelächter aus. Eine der wenigen Momente, in denen mir zum Lachen war.
Als ich beim nächsten Mal meinen Sohn anrief, blieb das Gespräch nicht lange ruhig. Mein Sohn regte sich wieder auf und brach diesmal sogar in Tränen aus, warf das Telefon an die Seite und schloss sich im Bad ein. Seine Lebensgefährtin nahm das Telefon und fragte mich vorwurfsvoll was ich getan habe. Ohne irgendeine Erklärung abzuwarten, warf sie mir vor, ich hätte alles kaputt gemacht. Das war ein Schlag ins Gesicht für mich. Ich machte mir aber auch Sorgen um meinen Sohn. Anrufen wollte ich nicht mehr doch schrieb ich ihm eine Nachricht, dass er sich doch bei mir melden sollte. Ich liebte ihn doch und wollte ihm nicht wehtun. Es kam keine Antwort mehr. Auch von seiner Lebensgefährtin nicht. Und somit auch keine Fotos von den beiden Mädchen, die einzige Möglichkeit, an deren Leben ein wenig teilzunehmen.
Wieder überwogen meine Depressionen. Ich fragte mich immer öfter nach dem Sinn meines Daseins. Ich war allein in einem Land, mit dem ich mich absolut nicht anfreunden konnte, verrichtete einen Job, den ich mittlerweile hasste, denn es machte absolut keinen Sinn für mich und mein Cottage hatte sich auch als Sackgasse erwiesen. Noch immer liebte ich dieses Häuschen, keine Frage. Doch spazieren gehen mit Chico war von Anfang an lebensgefährlich denn es gibt nicht wirklich Spazierwege und die Autofahrer fuhren hier wie die besengten Säue auf den viel zu schmalen Straßen. Chico war zwar immer lieb gewesen und sobald ich „Auto“ sagte, setzte er sich sofort, doch was würde sein, wenn er einen anderen Hund sah oder eine Katze? Mittlerweile wohnten wir viel zu weit ab vom Zentrum, so dass ich nicht unbedingt das Geld hatte ständig mit Chico im Auto zu anderen Orten zu fahren. Durch meine Atemnot und Asthma, als Folge der Lungenentzündung, fiel es mir besonders schwer, mit Chico rauszugehen. Ich war absolut isoliert. Wirklich helfende Medikamente hatte ich nicht. Das Asthmaspray, was eh nicht wirklich half, war längst verbraucht. Fünfmal benutzt und leer war es. Ich wollte auch nicht schon wieder 50 Euro für einen Arztbesuch ausgeben und rezeptfrei bekam ich nichts.  Auch meine Ernährung war völlig falsch und somit hatte ich schon längst wieder Übergewicht. Das meiste was angeboten wird, schmeckt mir nicht. Vieles bekommt man hier an Lebensmitteln nicht, so dass ich mir oft vorkomme wie in der ehemaligen DDR. Oftmals kompensiere ich fehlende Lebensmittel mit Schokolade, Keksen, Kuchen oder Eis. Bei allem anderen stehe ich oft bei Lidl ratlos herum und weiß nicht was ich kaufen soll. Meine einzig verbliebene Freundin aus Hamburg befand sich seit langer Zeit im Krankenhaus. Es gab niemanden, mit dem ich reden konnte. Selbst auf meinen Urlaub konnte ich mich nicht wirklich freuen.
Nichtsdestotrotz ging ich schließlich los und kaufte Urlaubsgarderobe. Die letzte hatte ich ja überwiegend in Kuba gelassen, wo sich die Menschen sicher drüber gefreut hatten. Nicht mal wirklich schöne Sachen fand man hier aber dann hatte ich doch in verschiedenen Geschäften meine Sachen zusammengesucht. Die Katastrophe in diesem Jahr waren die Figurbetonten Badeanzüge, die den Körper zusammenquetschten wie Mieder, aber das wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Da ich ja nie etwas in den Läden anprobiere, lief es darauf hinaus, dass ich zum Umtausch genötigt war. Die wirklich hübschen Teile, die ich in verschiedenen Läden erstand, entpuppten sich zuhause als Einwegfalle, in die man sich zwar irgendwie hineinquetschen konnte, jedoch herausschälen stellte sich außerordentlich schwierig dar. Und der Anblick der Speckrollen, die an jeder Seite, hinten und vorne, oben und unten herausquollen, killte fast die Lust auf Urlaub und Strand.
Meine gemischten Gefühle dem Urlaub gegenüber, hatte jedoch noch einen anderen Grund: nach elf Jahren würde ich wieder dorthin zurückkehren, wo ich nicht nur gelebt und gearbeitet, sondern die glücklichste Zeit meines Lebens verbracht hatte. Nun würde ich als Tourist wiederkommen. Die Vorfreude, die nun so langsam doch aufkam, war gemischt mit Angst. Wie würde es mir dort gehen? Und vor allem, wie würde es mir anschließend zurück in Irland gehen? Dem Land welchem ich lieber heute als morgen den Rücken kehren würde, wenn ich es finanziell könnte.
Die Tatsache, dass irgendwelche Idioten, die durch Stiefelleckerei die Karriereleiter nach oben gestolpert sind, die Macht hatten, mir von heute auf morgen 400 Euro von meinem Gehalt abziehen konnten, stellte mich noch vor ein weiteres Problem: ich musste schnellstmöglich eine Entscheidung treffen ob ich mein Auto abstieß oder nicht, denn steuer- und versicherungstechnisch konnte ich mir den Wagen nicht mehr leisten. Der Zufall in Form eines Arbeitskollegen kam mir zu Hilfe. Bei einem Gespräch erwähnte ich, dass ich einen Seat suchte, da es gute Autos waren, im Prinzip Volkswaren, nur halt mit dem spanischen Namen, also qualitativ gut und langlebig. Prompt erzählte er mir, dass er auch ein Auto suchte und genau so einen Seat im Internet gefunden hatte, und dieses Auto unweit unserer Firma stand. Er schickte mir per mail die Internetanzeige mit dem Bild des roten Seat Cordobas. Es war Liebe auf den ersten Blick. Der einzige Grund warum mein Kollege zögerte, war der, dass er in Urlaub fahren wollte und seine Finanzen jetzt nicht mit den Ausgaben für ein Auto strapazieren wollte. Mir ging es ähnlich. Doch als wir gemeinsam das Auto anschauten, das Preis-Leistungsverhaeltnis stimmten, schlug ich zu bevor es sich mein Kollege anders überlegte. Nun war ich stolze Besitzerin von zwei Autos. Aber den Verkauf des anderen Wagens und die Anmeldung des neuen würde ich erst nach meinem Urlaub in Angriff nehmen.


Kapitel 22 – Schlechte Stimmung bei der Arbeit und der Pleitegeier kreist

Ich war lange noch nicht wieder auf der Höhe, doch gezwungen in der Woche nach meiner Selbstentlassung aus dem Krankenhaus wieder arbeiten zu gehen. Ich war nun insgesamt 6 Wochen krankgeschrieben, das heißt 6 Wochen ohne Gehaltsfortzahlung. Jede weitere Woche kostete mich richtig viel Geld. Klar, steht mir theoretisch Sozialhilfe zu in so einem Fall, doch die Realität sind anders aus: nachdem ich pflichtbewusst alle Formulare ausgefüllt hatte, sie von meinem Arzt, unterschreiben ließ sowie auch von meinem Arbeitgeber, sie dann weggeschickt hatte, wartete ich, und warte noch heute. Ich habe nichts bekommen. Ironischerweise bekam ich zwar eine Bestätigung für die Zeit mit meinem Arm, jedoch Geld kam bei mir nie an. Ich hatte auch keine Kraft dahinterher zu laufen. Das jedoch war nur der Anfang von einem Riesenfinanzfiasko…
Es kotzte mich an, dieser Job ging mir sowas von auf den Keks aber ich hatte mich ja selbst in diese Situation gebracht. Durch Chico war ich nicht mehr so mobil um jederzeit nach Dublin umzuziehen denn in diesem Kaff gab es leider keine andere Jobmöglichkeit. Wie oft schon hatte ich es versucht und mich beworben auf die wenigen adäquaten Stellen, die hier angeboten werden. Aber egal was für eine Qualifikation man hier hat, es werden natürlich immer Iren vorgezogen. Auch innerhalb der Firma war es sogar noch schlimmer. Wer hier am besten Arschkriechen kann, der kommt voran. Strohdumme Italiener schienen da ein ganz besonderes Talent zu haben. Dazu kam, dass sie wohl teilweise attraktiv auf gewisse irische weibliche Personen wirkten, die Einfluss auf die Jobverteilung innehatten. Das bin ich nicht und konnte ich noch nie. Im Gegenteil, manchmal übertreibe ich es damit, meiner Meinung lauthals Gehör zu verschaffen. Auf meine Kollegen hätte ich auch durchaus verzichten können. Die gingen mir alle am Popo vorbei. Allein schon dieses verlogene „ach wie schön, dass Du wieder da bist!“ Das nächste was ich erfuhr war, dass wieder einmal Samstagsarbeit verordnet worden war. Na meinetwegen, aber ohne mich! Ich hatte meiner Chefin gleich vom ersten Tag an den Wind aus den Segeln genommen und ihr ganz klar gesagt, dass ich mir nicht mehr den Arsch aufreißen würde für die Firma, sondern nur noch Dienst nach Vorschrift machte. Am Ende meiner ersten Woche kam dann eine Schockmeldung: mein Chef wurde nach etwa 20 Jahren Betriebszugehörigkeit von einem Tag auf den anderen gefeuert. Ich war wie erstarrt. Diese Firmenleitung hatte absolut keine Skrupel und nahm auf soziale Hintergründe keine Rücksicht. Abgesehen davon, dass mein Chef, so ziemlich die einzig menschliche leitende Person war, hatte er Familie, ein Haus abzubezahlen, sich gerade ein neues Auto gekauft.
Wer nun diese Stelle übernehmen würde, das war zunächst nicht bekannt. Noch ein Grund für die Kollegen, hier zu machen was sie wollten, meistens war das nichts! Ich hielt mich aus allem heraus, machte meine Arbeit und war froh wenn es 16.30 Uhr war, um nach Hause zu fahren. Hier warteten Korrekturen auf mich, die bearbeitet werden mussten. Das war aber ganz schnell vorbei denn mein Laptop gab den Geist auf. Es war zum verrückt werden. Ohnehin schon kaum Kohle und dann sowas. Ich versuchte ihn reparieren zu lassen aber ging nicht mehr. Was nutzte es, es musste ein neuer her. Mit allen Programmen, die ich benötigte, waren das mal eben 500 Euro. Wäre ja alles nicht so dramatisch gewesen, wenn ich nicht bereits nach wenigen Tagen urlaubsreif gewesen wäre und genau diesen spontan buchte, die Stromrechnung von 200 Euro fällig gewesen wäre und ich dreimal hintereinander einen platten Reifen gehabt hätte. Ich war so ziemlich nah dran auf dem Zahnfleisch zu gehen und meine letzten eisernen Reserven anzugreifen. Was sollte es, es musste ja irgendwie weitergehen. In einer E-Mail zu meiner Vertragspartnerin, sprich der Buchautorin, erwähnte ich nebenbei meine finanzielle Durststrecke. Dies jedoch sollte nicht ohne Reaktion bleiben denn kurz darauf erhielt ich eine Antwortemail, die mich direkt an Wunder glauben ließ: die Buchautorin hatte mit dem Verlag geklärt, mir eine Aufwandsentschädigung (durch die Arbeit, die ich im Krankenhaus fortsetzte) von 1500 Euro zukommen zu lassen. Innerhalb weniger Tage kam die Überweisung auch schließlich auf meinem Konto an. Somit war ich aus den kritischen Zahlen heraus. Obwohl ich noch immer wenige Reserven hatte. Aber hier gibt es zum Beispiel nur unter ganz besonderen Umständen einen Überziehungskredit. Ich hatte so etwas bislang nie benötigt, immer alles bar bezahlt.
In der Folgewoche ging online wieder die Liste rum, wer am Samstag arbeiten würde. Natürlich trug ich mich nicht ein. Prompt wurde innerhalb des deutschen Teams ein Meeting einberufen, durch die Kollegen, um auf mir herumzuhacken. Ihnen passte dies nicht und das nicht. Im Endeffekt ging es lediglich darum, dass es ihnen nicht passte, dass ich Samstag und an keinem Samstag arbeiten würde. „Nennt mir bitte einen Grund, warum ich das tun sollte!“, verlangte ich. „Weil wir alle am Samstag arbeiten, wir sind nämlich ein Team.“, bekam ich die lächerliche Antwort. „Wenn ihr als Team mal ein wenig schneller gearbeitet hättet, bräuchte hier keiner samstags arbeiten.“, gab ich zurück und damit war das Thema für mich erledigt. Vergessen war bereits die Tatsache, dass ich wochenlang krank gewesen war und noch lange nicht wiederhergestellt. 
Das war scheinbar auch bei meinem Sohn bereits vergessen worden zu sein, denn im Gegensatz zu der Zeit im Krankenhaus, als er mir sogar schrieb, wie sehr er sich wünschte, in dieser Situation an meiner Seite zu sein, konnte ich es kaum glauben. Ich fühlte so viel Liebe für meinen Sohn wie schon lange nicht mehr. Doch nun war plötzlich wieder Funkstille. Ich fühlte mich sehr allein und deprimiert, wusste nicht wie ich aus diesem ganzen Schlamassel herauskommen sollte. Nach 5 Jahren konnte ich diesem Land nichts abgewinnen. Ich mag Irland nicht, kann mich mit der Kultur oder irgendetwas in diesem Land anfreunden. Natürlich sind die Iren hilfsbereit aber wirkliche Freundschaften entstehen nicht. Donal ist ein Freund aber logischerweise kann er nicht seine Freizeit bei mir als Freund verbringen, da würde ihm wahrscheinlich seine Frau aufs Dach steigen, verständlicherweise. Mit Mary, die Chico übernommen hatte, war es ähnlich. Wenn ich wirklich Hilfe brauchte, war sie da aber sonst nicht. Seit 5 Jahren hatte ich keinen Partner, keine Freunde und fragte mich, wie lange ich das noch durchhalten würde und wo ich in 10 Jahren sein wollte. Die Antwort lag auf der Hand: ist die Seele krank, dann streikt auch der Körper, und es wurde ja nichts besser. Somit war abzusehen, dass ich hier nicht noch mehrere Winter überleben würde. Die Fragen, die mich immer wieder beschäftigte war: wo soll ich hin? Was soll ich machen? Nach Deutschland, wo mein Sohn mit seiner Familie lebt, und dann Hartz IV. Das wäre das Schlimmste für mich, dass ich ihn diese Falle tappe und am Ende wäre dann Altersarmut. Bei aller Liebe zu meinem Sohn und den Enkeltöchtern, aber das konnte ich nicht. Da war ja auch noch Chico. Ihn wegzugeben und noch einmal woanders neu zu beginnen, stand völlig außer Frage für mich. Dieser treue Begleiter würde bei mir alt werden. Andererseits der Gedanke, dass er sich bester Gesundheit erfreute, und noch sehr alt werden konnte, hieß für mich noch sehr lange Zeit in Irland zu bleiben. Der Gedanke daran brachte mich fast zum Wahnsinn. Ich war hin- und hergerissen. Meine ganze Hoffnung lag einzig in der Veröffentlichung des Buches. Es musste einfach klappen, dass hierbei wenigstens so viel herauskam, dass ich mir die Freiheit nehmen konnte, den Job zu schmeißen und dort zu leben, wo ich es wollte. Wenn nötig dann auch mit Chico.

Mein Urlaubsziel war in diesem Jahr Torremolinos / Málaga in Südspanien. Dort wo ich vor elf Jahren die glücklichste Zeit meines Lebens verbrachte. Ja, ich hatte nun den Mut, dort wieder zurückzukehren, als Tourist. Aber bis dahin war es noch eine lange Zeit…

Kapitel 21 – Krankes Ende des Jahres und schlimmer Anfang des neuen Jahres

Nach Einnahme von Antibiotika und Schmerztabletten war ich schließlich meine Schmerzen im Arm wieder los und wundersamer Weise kam das Gefühl auch wieder. Also wieder alles wie gehabt, Job täglich hinter mich bringen und dann verkriechen in meinem Häuschen. Da es mittlerweile wieder sehr kalt war, ging ich früh zu Bett. Dank meines E-Book-Reader hatte ich stets genügend Bücher zur Auswahl, denn Lesen ist meine Leidenschaft. Der Vertrag vom Verlagshaus traf bald bei mir ein, ich unterschrieb, schickte ihn zurück und bald begannen die Korrekturen. Ich war so sehr beschäftigt damit, manchmal zwei- oder dreimal die gleichen Passagen zu korrigieren, dass ich gar nicht merkte, wie es mit großen Schritten auf Weihnachten zuging. Im letzten Moment bestellte ich über Amazon Spielsachen für die Mädchen und ließ sie in Hamburg ausliefern. 
Dann spürte ich plötzlich, dass meine Kurzatmigkeit noch schlimmer als sonst im Winter wurde. Ich bekam eine starke Erkältung und Fieber. Mir ging es hundeelend und arbeiten konnte ich vergessen. Somit ließ ich mich vom Arzt krankschreiben und verbrachte Weihnachten mit Fieber und ausgewachsener Grippe auf meinem Sofa. Insgeheim dankte ich meinen Arbeitskollegen für ihren Frischluftfanatismus. Jeden Tag fror ich bei der Arbeit und es dauerte Stunden bis ich wieder aufgewärmt war. Das allein müsste eigentlich schon reichen um in Rente zu gehen, denn ich wurde durch das ständige Frieren immer depressiver und sehnte mich so sehr nach südlichen Gefilden. Andererseits war mein Wunsch, meiner Familie in Hamburg nahe zu sein auch immer noch überwältigend, vor allem zu diesem Zeitpunkt als ich herumlag wie ein Häufchen Elend. Ich erinnerte mich, dass ich in keiner Wohnung in Deutschland jemals gefroren hatte. Im Winter war immer gut geheizt. Hier in Irland ist das nicht so: die Häuser sind nur mangelhaft isoliert und wenn man Pech hat, dann sind die Fenster auch nicht richtig geschlossen. Das ist in meinem Häuschen zwar nicht so aber es ist ein alleinstehendes Haus, mitten in der Walachei. Die Wände sind kaum isoliert, das Dach schon gleich gar nicht. Da ich für Heizöl selbst aufkomme, lasse ich die Heizung über Nacht natürlich nicht an und wenn ich bei der Arbeit bin, auch nicht. Das heißt, es ist morgens und abends grundsätzlich kalt. Mein Wohnzimmer ist recht klein und ich helfe hier immer noch mit einem Elektroheizkörper nach. Trotz allem kriecht diese nasse Kälte in alle Knochen.
Und somit hatte es mich wieder einmal so richtig erwischt. Freiwillig nahm ich alle möglichen Medikamente, die ich in die Finger bekam damit ich möglichst schnell wieder fit wurde. Denn in unserer Firma gibt es keine Lohnfortzahlung bei Krankheit. Theoretisch konnte ich Sozialhilfe beantragen, das tat ich auch, aber die Formulare die ich auszufüllen hatte, und mein Arzt auch, erinnerte mich stark an die Bürokratie in Deutschland. Für die ersten sechs Tage erhält man ohnehin keine Sozialhilfe, also wer hier nicht ein paar Reserven hat, der ist aufgeschmissen. Weihnachten fiel bei mir komplett aus. Als ich dann Fotos von meinem Sohn nebst Familie auf Facebook sah, gab es mir einen Stich ins Herz: sie hatten wohl sehr schön im Kreis der restlichen Familie gefeiert, mit denen ich schon längst keinen Kontakt mehr hatte und hatten nun diese Fotos mit dem Kommentar: „Weihnachten mit den liebsten Menschen“, ins Facebook gesetzt. Tja, da gehörte ich wohl offensichtlich nicht zu! Ich war nur der blöde Puffer, wenn es mal wieder zwischen meinem Sohn und seiner Freundin krachte, dann heulte sie sich per Chat bei mir aus und mein Sohn schimpfte über sie von der anderen Seite her. Und ich versuchte immer zu vermitteln.
Am Silvester, meinem Geburtstag, den ich schon lange nicht mehr feiere, wurde es mit meinem Husten noch viel schlimmer, ich bekam kaum noch Luft. Traurig lag ich auf meinem Sofa, nahm Hustensaft ein ohne dass es etwas nutzte und versuchte mich mit allen möglichen Hausmitteln wieder fit zu bekommen aber es brachte alles nichts. Am Neujahr verfolgte ich im Fernsehen den Bericht über die sexuellen Übergriffe während der Silvesternacht in Köln und weiteren Städten in Deutschland. Auch das überraschte mich nicht. Wenn diese Männer, die aus ihren mittelalterlichen Ländern kommen, minimale Bildung besitzen und dann plötzlich Frauen in vermeintlich aufreizender Kleidung sehen, drehen die doch ab. Jedoch immer mit dem Hintergedanken, wir sind hier um uns zu holen, was die Deutschen mit ihrem vielen Geld besitzen, sprich Handys, Geld etc. Angela Merkel kam in die Bredouille, ihre Parteigenossen standen nicht mehr hinter ihr, Seehofer wetterte ohnehin gegen sie und zwang sie zu handeln. Die europäischen Länder rings um Deutschland herum, begannen ihre Grenzen zu schließen. 
Mein Zustand wurde immer dramatischer. Mittlerweile waren meine Kopfschmerzen tagtäglich und zu so einem Ausmaß, dass keine Tabletten mehr wirkten. Sprechen konnte ich gar nicht mehr, weil ich keine Luft bekam.
Meine Vermieterin, die wöchentlich die Miete abholte, erkannte sofort wie schlimm es um mich stand und bot mir an, mich zum Arzt zu fahren. Ich lehnte ab denn ich hätte nicht einmal mehr die Kraft gehabt, mich anzuziehen um irgendwohin zu fahren. So leicht ließ sie sich jedoch nicht abspeisen. Keine Stunde später stand Donal in der Tür, der entsetzt feststellte, dass ich furchtbar aussehe, und ordnete einen Arztbesuch an. Es war mühsam, auch ihm einen Korb zu geben aber letztendlich gab er es auf, bot mir jedoch an, dass ich ihn anrufen solle, falls ich es mir anders überlegen würde.
Das Überlegen ließ nicht allzu lange auf sich warten bis ich ihn tatsächlich anrief, weil nichts mehr ging. Donal war der Meinung, dass ich in ein Krankenhaus gehöre. Zunächst jedoch musste ich meinen Hausarzt aufsuchen. Dieser war an diesem Tag nicht da, hatte aber eine Vertretung. Die Ärztin untersuchte mich oberflächlich, das Sauerstoffmessgerät, an einen meiner Finger angeschlossen, funktionierte scheinbar nicht richtig, trotzdem kam sie irgendwie zu dem alarmierenden Ergebnis, dass ich sofort und mit höchster Dringlichkeit in ein Krankenhaus überstellt werden sollte. Sie war bereits dabei, einen Krankenwagen anzufordern als ich sie stoppte, um ihr zu erklären, dass ich nicht in das Krankenhaus nach Drogheda (welches einen sehr schlechten Ruf hat) gehen würde und auch keinen Krankenwagen benötigte da Donal mich fahren würde. So wurde er nun auch ins Behandlungszimmer hineinzitiert. Die Ärztin erklärte Donal dass er sofort und ohne Umweg mit mir ins Krankenhaus fahren solle. Nicht einmal kurz nach Hause um eine Tasche zu packen. Sie warnte ihn, dass er für mich verantwortlich sei, wenn er sich bereit erklärte, den Krankentransport zu übernehmen. Das Krankhaus welches am nächsten war und für mich in Frage kam, war das in Newry (Nordirland). Weit kamen wir allerdings nicht, denn die Kupplung in Donals Auto ging kaputt. Er rief seine Mutter an, die zusagte in zehn Minuten am vereinbarten Treffpunkt zu sein. Zweifelnd schaute ich Donal an – reden konnte ich ja eh nicht – und erhielt auch gleich den Kommentar: „Du bist ja wohl jetzt lang genug in Irland um zu wissen, dass zehn Minuten in Irland auch mal leicht zwanzig sein können.“  Das kam mir doch irgendwie bekannt vor! In Brasilien wurde mir auch immer gesagt, ich müsste geduldiger sein. 10 Minuten können auch mal eine halbe Stunde bedeuten. Scheinbar sind es wirklich nur die Deutschen, denen die Pünktlichkeit schon in die Wiege gelegt wird.
Nach erfolgreichem Autowechsel konnte ich nun in Newry eingeliefert werden. Schnell wurde dort erkannt, wie ernst die Lage war. Ich wurde geröntgt, Blut abgenommen, an ein Sauerstoffgerät angeschlossen während Donal sich um die Bürokratie der Anmeldung kümmerte. Ich bekam Antibiotika intravenös und weitere Medikamente. Da Donal mich nun in Sicherheit wähnte, fuhr er schließlich nach Hause. Ich sollte nun von der Notaufnahme in ein Zimmer gelegt werden. Da ich mich mit dem britischen System überhaupt nicht auskannte, fragte ich jedoch aus einem Bauchgefühl heraus, was mich denn der Spaß hier kosten würde. Die Antwort hätte mir fast noch einen Herzinfarkt hinzugefügt: 420 britische Pfund – pro Tag! Sofort rief ich bei Donal um ihm zu erklären, dass ich doch lieber nicht in diesem „5 Sterne Hotel“ übernachten wollte. Arzt und Schwestern redeten auf mich ein, dass es gefährlich sei, allein zuhause zu sein. Na ja, aber sicher und pleite war ja auch nicht die beste Aussicht. Donal war zwar nicht gerade begeistert jedoch verstand er, dass ich nicht bereit war, so viel Geld zu bezahlen, zumal es unklar gewesen wäre, für wie lange.
Besserung war jedoch zuhause nicht in Aussicht, alles war wie gehabt. Als ich meine Krankschreibung verlängern wollte und zu meinem Hausarzt fuhr, hatte dieser bereits die Röntgenbilder und den Krankenbericht aus dem Krankenhaus erhalten. Wieder checkte er meinen Sauerstoffgehalt und meinte betroffen: „Sie sind eine sehr kranke Frau!“ Der Sauerstoffwert war so ziemlich im Keller und mir wurde eröffnet, dass ich eine schwere Lungenentzündung habe. „Am besten ich lasse Sie ohne Umwege gleich wieder ins Krankenhaus einweisen.“ Ich dachte an meinen Hund Chico, der zuhause im Garten auf mich wartete. „Ich gehe ja wieder ins Krankenhaus, aber nicht sofort. Ich muss zuerst nach Hause und mich um die Unterbringung meines Hundes kümmern.“
Zum Glück machte sich der Arzt scheinbar keine Gedanken darüber, wie ich hergekommen war, sonst hätte er mich sicher nicht einfach gehen lassen. Mir war furchtbar schwindelig, dennoch setzte ich mich ins Auto und fuhr nach Hause. Mir war zum Heulen. Zu Hause rief ich Donal an und berichtete ihm unter Tränen und völlig durch den Wind, dass ich wieder ins Krankenhaus musste. Verzweifelt suchte ich die Telefonnummer meiner Nachbarin, die damals Chico aufgenommen hatte als er ausgebüxt war. Ich konnte sie nicht finden. Dazu machte ich mir Gedanken in welches Krankenhaus ich nun gehen würde. Donal traf ein und war, was Chico anging auch etwas ratlos. Chico jedoch war so gestresst, dass er sich auf seinem Sofa erbrach. Er spürte, dass hier etwas ganz verkehrt war. Völlig verunsichert jaulte er und rannte hin und her. Donal unterdessen rief in der Hundepension an und fragte ob er Chico dort unterbringen konnte. Das jedoch hielt ich für kompliziert, weil die Pension nicht gerade um die Ecke ist, wo ich Chico während meiner Urlaube unterbringe. Schließlich einigten wir uns darauf, dass wir den Umweg zu meiner Nachbarin machten und fragten ob sie Chico für einige Tage nehmen würde. Sie erklärte sich sofort bereit. Somit konnten wir uns nun auf die Odyssee der Krankenhaussuche begeben.
Und das sollte wahrhaftig zu einer Odyssee ausarten. Wir fuhren 4 Krankenhäuser in Dublin an und wurden wieder abgewiesen. Alle waren belegt. Also wenn man in Irland todkrank ist, hat man ganz schön schlechte Karten. Da wird man eiskalt von den Krankenhäusern wieder weggeschickt. Beim vorletzten, es war bereits spät am Abend, hieß es, die Notaufnahme habe seit 18.00 Uhr geschlossen (???). Donal fragte sich eher als mich, was die wohl gemacht hätten, wenn er mich einfach ausgeladen und nach Hause gefahren wäre. Ich hatte so das dumme Gefühl, dass er dies wohl auch gern gemacht hätte. Tat er aber nicht, packte mich wieder ein und fuhr ins naechste Krankenhaus. Hier sagte man ihm bei der Notaufnahme, dass ich erst einmal warten sollte, zurzeit sei zwar kein Zimmer frei, jedoch würde sich da sicherlich stündlich etwas ändern. So warteten wir, Donal geduldig an meiner Seite. Obwohl der Wartesaal voll war, wurde ich tatsächlich nach ca. 20 Minuten aufgerufen und zur Untersuchung gebracht. Als man meinen Sauerstoffgehalt überprüfte, beobachtete Donal, der noch immer an meiner Seite war, wie die Schwester in den Untersuchungsbericht schrieb, dass es äußerst kritisch war und sie forderte auch sogleich eine Sauerstoffflasche für mich an. Auch um die dicke Nadel, die in eine meiner Venen am Handgelenk eingeführt wurde, kam ich nun zum zweiten Mal nicht herum. Äußerst schmerzhaft, jedoch betäubte dieser behandelnde Arzt die Stelle zuerst. Wieder bekam ich die Sauerstoffmaske und nun glaubte Donal mich in Sicherheit und verabschiedete sich. Er musste ja noch Chico zu meiner Nachbarin bringen und wollte eigentlich das vollgekotzte Sofa noch reinigen, Betonung auf wollte…
Da es für mich noch kein freies Bett gab, wurde ich zunächst in eine Zwischenstation gebracht, mitten im Geschehen. Dort war es irgendwie wie in einer Horror-Show. Vor mir wurde ein Bett mit einem Zombie darin hingeschoben. Besser gesagt, ein weiblicher Junkie. Als die wach wurde und sich plötzlich mit unkontrollierten Bewegungen aufrichtete, kam ich mir wirklich vor wie in einem Zombie-Film. Zu allem Überfluss wurde die auch noch laut und pöbelte in einem Jargon, der ziemlich unterhalb der Gürtellinie war, herum. Der Pfleger bemerkte nur, dass sie ja mal wieder dort gelandet sei. Scheinbar war die ein Dauergast. Ich überlegte ernsthaft ob ich abermals Donal anrufen sollte, damit er mich wieder abholte, denn mit der wollte ich nicht unbedingt die Nacht verbringen. Doch Donal würde mich wahrscheinlich erwürgen, wenn er mich nochmals einsammeln sollte. So riss ich mich zusammen und hörte mir das Gekreische an.  Später in der Nacht wurde ich dann wieder weitergeschoben in eine Kabine in der Nähe vom Schwesternpult. Ich war nun bereits sehr müde und schlief auch bald ein. Doch dies war ja auch noch nicht die Endstation. Nach einiger Zeit setzte sich mein Bett wieder in Bewegung und ich kam tatsächlich in ein Zimmer mit gemischter Belegung. Tja, das katholische Irland lässt Männchen und Weibchen gemeinsam in einem Krankenzimmer! Mir war so langsam alles egal. In den folgenden Tagen wurde ich geröntgt, wurde anhand von Ultraschall und Kernspin-tomographie untersucht, ich bekam wieder Antibiotika und Steroide, die mir das Atmen erleichterten und musste mehrmals täglich inhalieren. Bald ging es mir merklich besser. Dank meines Handys konnte ich mir die Zeit mit der Korrektur zugesandter Passagen des Buchprojektes, Filmen und Fernsehbeiträgen vertreiben und mit meinem Sohn chatten, der wirklich recht besorgt erschien. Ich war nach drei Tagen sogar so mutig, den langen Weg bis zur Eingangshalle zurückzulegen um Einkäufe zu tätigen und – entgegen aller Warnungen der Ärzte – vor der Tür zu rauchen. Die Konsequenz daraus war, dass mir nun jede Nacht ein Nikotinpflaster auf den Rücken gepappt wurde. Das half nur gar nicht. Natürlich war mir klar, dass mein Rauchen die Situation nicht gerade verbesserte, doch ich bin nun mal ein echter Zigaretten-Junkie, das gebe ich auch ehrlich zu. Wie oft schon hatte ich mir hier in Irland geschworen, mit der Raucherei aufzuhören. Allein schon wegen der Kosten. Immerhin zahlt man hier zwischen 9 und 10 Euro pro Schachtel. Zumindest schaffte ich es mittlerweile, 2 Tage mit einer Schachtel auszukommen. Nun würde ich halt noch mehr einschränken, aber ganz aufhören, da würde ich professionelle Hilfe brauchen und nicht nur ein Nikotinpflaster.
Nichtsdestotrotz war ich recht optimistisch eingestellt und wollte nur nach vorn schauen. Mary, meine Nachbarin schickte mir jeden Tag Fotos von Chico und schrieb, dass er sehr viel geweint, sich mehrmals übergeben hatte und zunächst auch nicht fressen wollte. Doch es war alles schon besser geworden. Wichtig war für mich, dass er in guten Händen war und bei Mary war er das. Freitags wurde mir dann mitgeteilt, dass ich auf eine andere Station verlegt werden würde. Damit schlug meine Stimmung komplett um. Ich konnte es mir kaum erklären aber ich war ab diesem Zeitpunkt nur noch ein heulendes Elend. Ich wollte nicht nochmal umziehen, ich wollte nach Hause. Als ich dann auf die neue Station kam und in das Zimmer geschoben wurde, wo nur alte Frauen lagen, war es ganz vorbei. Ich bestand auf ein Gespräch mit meinem behandelnden Arzt und wurde den ganzen Tag vertröstet. Samstag genau das gleiche, dann hieß es, es sei kein Arzt da. Ich heulte ununterbrochen und bestand darauf entlassen zu werden. Die Schwestern konnten mir keine klare Auskunft geben. Nachmittags hieß es dann, ich bräuchte nur den Entlassungsschein unterschreiben und könnte dann gehen. Sofort rief ich Donal an, doch diesmal bekam ich einen Korb. Er war im Begriff mit seiner Frau zu einer Party in Dublin zu fahren und konnte mich an diesem Tag nicht abholen, bot mir aber an, mich am nächsten Tag, wenn beide zurückfuhren, mich unterwegs einzusammeln. In meinem trotzigen Kopf brodelte es: sollte ich mir ein Taxi bestellen? Doch die Vernunft siegte schließlich. 120 Euro für ein Taxi war es sicherlich nicht wert dafür dass ich vor meinem eigenen verschlossenen Haus stehen würde, denn der Schlüssel war bei Donal!
Sonntagmittag kam Donal mit seiner Frau und es ging ab nach Hause. Donal setzte mich kurz ab und versprach bald zurückzukommen um die Kamine anzuschmeißen und etwas beim Aufräumen zu helfen. Ich war vor dem Krankenhausaufenthalt so geschwächt, dass ich kaum noch etwas im Haus gemacht hatte. Chicos Sofa war auch nicht gereinigt worden und so machte ich mich gleich an die Arbeit und zog die Kissen ab, schmiss sie in die Waschmaschine und diese direkt an. Dann fegte ich die Haare von Chico auf, wobei ne ganze Menge zusammenkam. Wenn ich nicht mindestens alle zwei Tage fege oder sauge, sieht es ziemlich schlimm aus. Chico haart wie verrückt aber das haben Schäferhunde ja nun mal so an sich. Ich liebe mein haariges Monster trotzdem. Donal heizte das Haus ein, spülte einiges stehen gebliebenes Geschirr und fuhr nach Hause nachdem er sich überzeugt hatte, dass ich gut versorgt war. Er ist wirklich ein wahrer Freund!